IT-Rundumschlag 4/21

Deutschland im Ausverkauf

Finanzinvestoren interessieren sich für sämtliche personenbezogenen Daten deutscher Bürger seit 1927, die von der Schufa in Bezug auf Kreditwürdigkeit gesammelt wurden. Mehrere Private-Equity-Firmen wie EQT und Hellman & Friedman sprechen derzeit mit der Schufa und ihren größten Anteilseignern, Commerzbank und Deutsche Bank. Um läppische zwei Milliarden Euro Verkaufssumme soll es gehen. Dafür winkt eine der wohl am akribischsten und vollständigsten gepflegten Datensammlungen der Welt. Neben historischen Daten sind darin aktuell 68 Millionen Bundesbürger und sechs Millionen deutsche Unternehmen erfasst.

Vertrauliche Einblicke in die Konten, Vermögensverhältnisse und Firmengeheimnisse könnten für ’nen Appel und ein Ei an ein paar Finanzhaie verkauft werden. Für die Einen ein perfekter Datenfundus, um Prognose-KIs daran zu trainieren. Für die Anderen ein strategischer Fehler und politischer Selbstmord. Und die Menschen und Firmen, deren Daten verscherbelt werden, haben nichts zu melden.

DARPA rechnet mit verschlüsselten Daten

Das US-Verteidigungsministerium unterhält in der DARPA die Gründungsorganisation des Internet. Sie ist aber nicht nur Geschichte, sondern auch heute noch aktiv. Eins ihrer aktuellen Projekte ist die fully homomorphic encryption (FHE), eine Methode, verschlüsselte Daten zu verarbeiten, ohne sie dabei zu entschlüsseln. Natürlich geht es dabei nur um Gutes für die US-dominierte Welt: Finanzbetrug auf die Schliche kommen, Gesundheitsdaten auswerten ohne den Patienten­datenschutz zu gefährden, Militärs und Verbündete mit vertraulichen Daten arbeiten lassen, ohne sie dabei preiszugeben.

Dazu wird ein Verfahren namens lattice cryptography verwendet: Daten werden auf ein vieldimensionales Gitter (lattice) projiziert, so dass diese Daten nur durch hochkomplexe Koordinaten wiedergefunden werden können. Die Daten können auch zwischen einzelne Gitterpunkte positioniert werden, so dass Koordinaten mit vielen Dezimalstellen erzeugt werden. Außerdem lassen sich die Datenpunkte verschieben – auch nachträglich, was die Verarbeitung trotz Verschlüsselung ermöglicht.

Diese Art von Verschlüsselung soll auch durch Quantencomputer nicht geknackt werden können – anders als alle heute gängigen Verschlüsselungstechnologien. Auf gängigen Computern läuft FHE noch sehr langsam, weswegen die DARPA mehrere nichtstaatliche Vertragspartner zur Entwicklung eingebunden hat, u.a. Intel, um auf FHE spezialisierte Prozessoren zu entwickeln, die die nötigen Berechnungen 100.000-fach schneller ausführen können.

Statt ein Bit zu verschlüsseln, wird hierbei ein hyperdimensionaler Raum verschlüsselt, also statt eines Legosteins geht es gleich um Legoland. Und das muss für jeden einzelnen Buchstaben, der FHE-verschlüsselt wird, berechnet werden. Krypto-Mining ist der Rechenwahnsinn von gestern, und FHE-optimierte Hardware die Enigma-Maschinen von morgen. Privatnutzer bleiben außen vor. Diese Rüstungsspirale ist nur was für die, die über Steuergelder verfügen können, nicht für die, die Steuern zahlen.

Orwellianische EU

Die EU möchte alles automatisiert mitlesen, was ihre Bürger digital schreiben. Im Sommer soll ein Gesetzentwurf der EU-Kommission alle E-Mail-, Chat- und Messenger­dienste dazu verpflichten, sämtliche Nutzer-Kommunikation – ggf. vor der serverseitig veranlassten Verschlüsselung („Umschlüsselung“) – auf potentielle Kinder­pornografie hin zu scannen. Damit würde zugleich aber auch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung generell illegal. Ebenso kann der Gesetzentwurf „Upload-Filter“, also automatische Zensur, ermöglichen.

Grüne, Linke und natürlich die Piratenpartei im Europa-Parlament (EP) sind gegen das Gesetz, ebenso der Bundes­datenschutz­beauftragte, die Bundes­rechts­anwalts­kammer und der Deutsche Anwaltverein. Patrick Breyer von der Piratenpartei im EP fordert stattdessen „verstärkte verdeckte Ermittlungen in Kinderporno-Ringe und ein[en] Abbau der jahrelangen Bearbeitungs­rückstände bei Durchsuchungen und Auswertungen beschlagnahmter Datenträger durch die Polizei“.

US-Konzerne sind schon seit Jahren willige Helfer: GMail, Facebook Messenger, Outlook.com und X-box analysieren die Nutzer-Kommunikation – mit einer Fehlerquote von 86 % fälschlicher Strafanzeigen wegen Verdachts auf Kinderpornografie.

Die übliche Masche: Ein Bonbon, und schon steigt das Kind ins Auto des Fremden. So macht das auch die Politik mit ihren Untertanen. Ein gutes Ziel wird vorgegaukelt, aber eigentlich sollen nur Bürgerrechte abgeschafft werden, um volle staatliche Kontrolle über alle Lebensbereiche zu erzielen.

Maulkorb-Erlass der EU

Eine geplante EU-Verordnung soll Onlinedienste dazu verpflichten, „terroristische Inhalte“ innerhalb einer Stunde zu löschen, wenn eine Behörde eines Mitgliedstaates dies anweist. Die Onlinedienste dürfen sich nicht selber ein Urteil über den angeblichen „terroristischen Inhalt“ bilden und die Anweisung ablehnen, auch ist keine richterliche Prüfung vorgesehen.

Gegen dieses Zensurrecht protestiert ein Bündnis aus über 60 Organisationen, u.a. Amnesty International, CCC, Digitalcourage und Wikimedia.

Das wäre praktisch staatliche Willkürfreiheit in Zensurdingen, die sicherlich auch gegen kritische Journalisten, Bürgerrechtler, Antifaschisten und Umweltaktivisten eingesetzt würde.

Bundestrojaner macht Weltkarriere

Die Große Koalition hat das BND-Gesetz „reformiert“. Der Bundes­nachrichtendienst darf nun rechtmäßig den Bundestrojaner im Ausland einsetzen und dafür auch die Hilfe „befreundeter“ Geheimdienste wie NSA und GCHQ in Anspruch nehmen.

Der Einsatzbereich geht von üblichen Geheimdienst-Interessen bis hinunter zu „illegalem Schleusen“ (= Flüchtlingsabwehr) und „Diebstahl geistigen Eigentums“. „Frei und unabhängig“ berichtende Medienvertreter und regierungs­kritische Blogger (= Nawalny & Co.) in autoritären Staaten sollen vor Überwachung geschützt sein. Aber alle anderen Journalisten nicht.

Freiheit und Demokratie im 21. Jahrhundert … .

Unsichere Rechtssachen

Rechtsanwälte und Gerichte kommunizieren digital über das sogenannte „besondere elektronische Anwalts­postfach“ (BeA). Das BeA wird von der Bundes­rechts­anwalts­kammer betrieben. Die eingesetzte Verschlüsselung ist eine Umschlüsselung, die auf dem Server des Betreibers stattfindet. Der Betreiber kann also den E-Mail-Verkehr auf dem Server mitlesen. Nur zum Server hin und vom Server weg gehen verschlüsselte E-Mails.

Eine Gruppe von Rechtsanwälten wollte eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung einklagen. Der Anwaltsgerichtshof und nun der Bundes­gerichtshof haben das abgelehnt. Möglich wäre jetzt noch eine Verfassungs­klage beim Bundes­verfassungs­gericht.

Hoffentlich machen die Kläger das – und haben Erfolg! Sonst bleiben Anwalts- und Gerichts-Mails weiterhin digitale Postkarten für Bundes­rechts­anwalts­kammer (selbst wenn die vertrauenswürdig erscheinen mag, geht die das nichts an!) und alle, die dort unbefugt einbrechen (ja, soll passieren …).

Krypto-Lotto für Kapitalanleger

Genauso wie die Börse insgesamt, so funktioniert auch die Spekulation mit Krypto-Währungen wie Glücksspiel und Lotterie. Das hat eine finnische Studie ergeben. Aktuell gibt es über 8.000 Krypto-Währungen. In sie zu investieren ist riskanter als die traditionelle Anlage in Aktien. Aber besonders seit dem letzten Jahr boomen die Krypto-Währungen, während zugleich die traditionellen Währungen unsicherer werden, weil viele Zentralbanken wegen der Covid-19-Pandemie die Gelddruckmaschinen heißlaufen ließen.

Laut den finnischen Forschern erzielen Krypto-Portfolios mit niedrigem täglichen Output langfristig hohe Erträge, so dass spekulierende Anleger am Ende große Summen gewinnen können, wenn viele Anleger lotterie-ähnlich ihr Geld in solche Krypto-Währungen stecken. Dieser Mechanismus treibt die Preise von Krypto-Währungen in die Höhe. Zuvor wusste man das nur von kurzfristigen „Spiel-Einsätzen“. Außerdem war bekannt, dass 50 Prozent der Bitcoin-Erträge durch kriminelle Aktivitäten generiert werden.

Wie für kapitalismus-freundliche Forscher üblich, die ihre Studie im Journal of International Financial Markets, Institutions and Money veröffentlichen, haben sie gleich noch neue statistische Methoden mitgeliefert, um risiko-angepasst potentielle Spekulationserträge zu optimieren.

Keine wirkliche Überraschung … .